Die verkleinerte Wesensform des afrikanischen Löwen stieg im Norden des Kontinents zum Mittelpunkt eines regelrechten Kultes auf: Die Katze wurde im alten Ägypten als übernatürliches, göttliches Wesen verehrt. Dieser Status hat verschiedene interessante Ursachen.
Die Katzengöttin
In der griechisch-römischen Epoche des ägyptischen Pharaonenreichs, ab etwa 300 vor Christus, gab es eine Vielzahl von Gottheiten. Einer der bekanntesten darunter ist der Sonnengott Re. In der Mythologie ist seine Tochter Bastet die Göttin der Fruchtbarkeit. Sie wurde in früheren Zeiten als Löwin, später jedoch immer als sitzende Katze dargestellt. In dem ihr zu Ehren errichteten Tempel wurden von den altägyptischen Hohepriestern zahlreiche Katzen aufgezogen und gehalten. Sie wurden als irdisches Symbol der Göttin verehrt, jedoch war ihr Schicksal wenig erfreulich: Meist wurden sie zu Ehren des Bastet-Kultes als Opfer getötet, mumifiziert und mit menschlichen Mumien oder auch individuell in Grabstätten beigesetzt.
Unabhängig von ihrem rituellen Opfertod waren die Katzen allerdings geschützt: Niemand außerhalb des heiligen Bezirkes der Stadt um den Tempel durfte einer Katze etwas antun. Das Töten einer Katze zog drakonische Strafen nach sich. Es entstand die mythologische Vorstellung, dass die Verstorbenen im Jenseits von Katzen begleitet werden, wenn sie die Treppen zum Paradies besteigen.
Die Nachkommen der Göttin
Die ,,gewöhnlichen“ Haus- und Straßenkatzen, die nicht im Tempel der Bastet lebten, genossen ebenfalls einen Sonderstatus in der altägyptischen Gesellschaft. In den Familienhäusern standen Katzengötzen, Figuren und Statuen, die als Abbild der Gottheit verehrt wurden. War eine Katze verletzt, gab es spezielle Heiler und Gebete. Starb eine Katze, trauerte die ganze Familie wie um ein Kind, und der Leichnam des Tieres wurde auf einem exklusiven Katzenfriedhof bestattet.
Daher hatten Katzen, ob sie nun in Tempeln, heiligen Stätten oder den Häusern normaler Leute lebten, eine Sonderbehandlung unter all den Haustieren. Mythologisch die Kinder des Sonnengottes, der in manchen Quellen ,,Großer Kater“ genannt wird, hat die Figur der Katze große Ähnlichkeit mit den Löwen-Gottheiten, die in verschiedensten Kulturen überall in Afrika verbreitet waren.
Auch sind Katzen durch die sakrale Bedeutung in Ägypten stark mit der Sonne assoziiert; auch wenn sie hauptsächlich bei Nacht jagen, gelten Katzen als Lichtgestalten, als Bringer von Wärme und Frieden. Durch ihre verkleinerte, gezähmtere Form sind sie dafür natürlich besser geeignet als die Löwen.
Ein göttlicher Segen
Die göttliche Verehrung von Katzen, ihre generelle Beliebtheit, ihr häufiges Vorkommen sowie die Friedenssymbolik lassen sich auch auf lebenswichtige Notwendigkeit zurückführen: Durch ihre vortrefflichen Fähigkeiten in der Mäusejagd waren Katzen im alten Ägypten lebensnotwendig. Aufgrund des trockenen Wüstenklimas waren Nahrungsvorräte von unschätzbarer Wichtigkeit. Vor allem Getreide wurde eingelagert. Dass in einem derartigen Umfeld Mäuse todbringende Schädlinge sein können, ist klar. Daher stiegen die Katzen zu einem Status von hoher Bedeutung auf. Sie galten durch die Rettung und Sicherung der überlebenswichtigen Vorräte als göttlicher Segen.