Eine Kurzgeschichte, erzählt von meiner eigenen animalischen Triebseele

Mein Herz schlug unaufhörlich, rasend, laut in meiner Brust. Er war sicher noch hinter mir her, alle hatten mich gewarnt. Vor allem meine Eltern. Steig nicht zu ihm ins Auto, gehe nicht alleine wieder nach Hause im Dunkeln. Ich wusste gar nicht mehr, wie lange ich schon rannte. Ich versuchte einfach zu fliehen, drehte mich um, schloss die Augen und fing an zu rennen…durch den Irrgarten der Straßen. Ich merkte erst, dass es eine Sackgasse war, als ich schmerzhaft gegen die Mauer stieß. Der Aufprall ließ mich zurückstolpern und ich fiel auf den kalten Boden, der schon vom Frost bedeckt war.

Das Ende der Verfolgung

Ich wollte mir an den schmerzenden Hinterkopf fassen, als ich bemerkte, dass meine Hand nicht mehr dieselbe war. Auch mein Kopf hatte die Form verändert. Verwirrt versuchte ich, aufzustehen, was mir erstaunlich gut gelang. Ich war sehr viel kleiner, schien mich seltsamerweise viel näher am Boden zu befinden. Trotz der eisigen Luft war mir nicht mehr kalt; meine veränderte Gestalt schien die Kälte anders wahrzunehmen. Dafür konnte ich in der Dunkelheit umso besser sehen … ich schlich auf eine Pfütze in der Mitte der Straße zu, um mich im Spiegelbild betrachten zu können, und traute mich kaum.

Mir blickten zwei leuchtende Augen aus einem schwarzen Gesicht entgegen. Ich trat näher an die Oberfläche, weil ich meinen Augen nicht trauen wollte. Dabei merkte ich, wie ich in die Pfütze trat – fröstelnd zog ich meine Pfote zurück. Ich konnte es kaum glauben, doch gleichzeitig fühlte ich mich ruhig. Als wäre ich jetzt so, wie ich schon immer hätte sein sollen. Ich strich mir über den Kopf, und merkte, wie sich meine Ohren gleich wieder aufstellten, mein weiches Fell glatt unter meiner Berührung. Ich begann zu lächeln, aber mein Gesicht veränderte sich nicht.

Neuer Mut in neuer Gestalt

Mein Herz zog sich zusammen, als ich das volle Ausmaß dieser Verwandlung begriff. Ich blickte zu den Sternen hoch und mich durchströmte neue Zuversicht. Mit neuer Hoffnung ging ich zurück in Richtung der Hauptstraße, meine Bewegungen geräuschlos und graziös. Als ich an der Kreuzung stand, zeigte sich alles in neuem Licht: Ich sah die Morgendämmerung auf der anderen Straßenseite und das sah ganz nach Glück aus.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, und dann bewegten sich meine Samtpfoten, immer schneller tänzelte ich über die Straße. Und dabei faszinierte mich die aufgehende Sonne so sehr, dass ich das Auto nicht hörte, das auf mich zukam, mit rasender Geschwindigkeit …

Auch den Aufprall hörte ich nicht mehr. Ich hörte nicht auf, auf meinen pochenden Pfoten und mit Glück im Herzen auf den neuen Morgen zuzugehen; meine Katzenaugen blickten ins Leere, obwohl meine Seele plötzlich den Anfang vor mir sehen konnte.

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